1. Tag, Montag, der 15.Mai:

Bei der Besichtigung der Kathedrale von Porto und anderer Sehenswürdigkeiten erhalte ich in der Kathedrale den ersten Stempel in meinem Pilgerausweis. Porto bietet zahlreiche ruhige Flecken, die zum Verweilen und Meditieren einladen. So sitze ich statt an den Ufern des Rheins am Ufer des Douro. Die Menschen sind wie überall in Nordportugal arm und freundlich. Sie grüßen den Pilger gern mit einem „Bon Caminho“ zurück.

Arm und reich liegen in Porto dicht beieinander. Die Menschen in den engen, bunten Altstadthäusern gewachsen in Jahrtausenden, Generation über Generation mit den verschiedensten religiösen Strömungen, eine eigene Musik, eine eigenes Klima, ein eigenes Essen und eine eigene Stadtbefestigung. Eine Kultur weit entfernt von den Boule spielenden Männern Frankreichs und Spaniens, aber trotzdem auch etwas von diesen. Ist die Kultur auch nicht mit den Weinregionen von Rhein und Mosel vergleichbar, erinnert das Plätschern und Schaukeln der Boote doch auch an die Heimat.

Porto bietet zahlreiche ruhige Flecken, die zum Verweilen und Meditieren einladen. Die Menschen sind wie überall in Nordportugal arm und freundlich. Sie grüßen den Pilger gern mit einem „Bon Caminho“ zurück.

 

2. Tag, Dienstag, der 16. Mai:

Ich starte meine Wanderung. Ein wunderbares Erlebnis habe ich gleich zum Einstieg. In der ersten von mir besuchten Kirche, Igreja de Carvalhido(km 8,3), die auch von außen mit blauen Azuelo-Kacheln verkleidet ist, hatte ich Rucksack und Sonnenhut abgelegt. Viele Portugiesen nehmen in die Kirche ihren Einkauf mit und statten der Mutter Gottes oder Christus einen kurzen Besuch ab, mit der Einkaufstüte in der Hand. Eine Frau nahm kurz entschlossen drei Äpfel aus ihrer Tüte und legte sie mir in den Sonnenhut. Ich konnte ihr kaum ein „Obrigado“, Danke, zu flüstern, da war sie schon wieder weg.

Mittags gibt es in einem der Industriegebiete Portos (km 20) nahe einer Textilfabrik in der Kantine die berühmte „Sopa de legumes“ – Gemüsesuppe – mit Wein und Brot für 1,45 Euro. Portugiesische Suppen sind unschlagbar. Das Essen in Portugal ist gut und sehr günstig.

In Rates (km 44) ankommend läuten gerade die Glocken zur hl. Messe. Wie erstaunt ist der Mitteleuropäer, wenn die Kirche da schon voll besetzt ist und alle beten. Im Mai, dem Marienmonat, ist es üblich, ½ Stunde vor der Messe den Rosenkranz zu beten. Mir tun die Füße weh. Erst ab der spanischen Grenze also Tui (km 131) sind die Herbergen gleichmäßiger alle 4 -15 km entfernt verteilt.

Die für 50 Personen eingerichtete Herberge wird von dem Lebensmittelhändler geöffnet. Dort finde ich drei Mitpilger, einen Schweden und zwei Spanier. Der Schwede erläutert, dass der Weg über Porto auch schon im Mittelalter insbesondere für die Anlieger von Nord- und Ostsee der übliche Weg gewesen sei, weil man bis Porto segelte.

Der Schwede erläuterte auch, wie wichtig der Wanderstab ist, um die wilden Autofahrer zum Abstandhalten zu zwingen. Die Portugiesen fahren in der Tat wild (wenn auch wohl eher aus Unkenntnis der Gefahren) und ein gehaltener Wanderstock mit blitzender Spitze bewirkte tatsächlich einiges. Nützlich ist der Wanderstab aber auch zur Verteidigung gegen Hunde und Kühe.

 

 

3. Tag, Mittwoch, 17. Mai:

Heute übernachte ich in einem Hotel in Barcelos. Die Herberge wird gerade umgebaut. Unterwegs treffe ich auf dem gesamten Weg bis Santiago bis auf wenige Ausnahmen keine Pilger. Ich kann nach Herzenslust an Mühlenteichen und Bachquerungen rasten oder ungestört am Wegsrand Mittagsschlaf halten. Der Pilgerweg bereite mir Freude. Er ist überwiegend gut ausgezeichnet und mit zunehmender Entfernung von Porto idyllischer.

Die Menschen unterwegs sind alle freundlich und grüßen gerne zurück. Viele sind nicht privilegiert. Im portugisischen Fernsehen hörte ich von einer Campagne, die die Landflucht verhindern soll. Eindrucksvoll war das Bild einer verhärmten Frau, die die riesige Hose Ihres Ehemannes an einer offenen Quelle wusch und trocknete. Sie leistet sich offenbar keine Waschmaschine, hat vielleicht kein fließendes Wasser und kein WC. Dann sind die Menschen ärmer als die Griechen vor 30 Jahren. Die EU-Gelder werden in Portugal offenbar nicht gleichmäßig verteilt.

 

 

4. Tag, Donnerstag, den 18. Mai:

Morgens breche ich von der Jugendherberge in Ponte Lima am Rio Cavalho auf. Gerade sitze ich an einem Wasserfall. Darunter befindet sich ein kleines Becken, bevor das Gewässer weiter in Kaskaden ins Tal fließt. Natürlich kann ich eine solche Gelegenheit nicht auslassen, mich in dem kalten Wasser ein wenig abzukühlen. Der Wasserfall rauscht wunderbar. Hier könnte ich Zelten. Leider haben irgendwelche Vorgänger ihren Müll hinterlassen. Hier gab es also etwas zu tun. Schmutz und Abfälle gibt es auch auf den Pilgerwegen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwähren, dass er auch von Pilgern stammt und sammle ein.

 

5. Tag, Samstag, der 19. Mai:

Morgens breche ich von der Jugendherberge in Ponte Lima am Rio Cavalho auf. Gerade sitze ich an einem Wasserfall. Darunter befindet sich ein kleines Becken, bevor das Gewässer weiter in Kaskaden ins Tal fließt. Natürlich kann ich eine solche Gelegenheit nicht auslassen, mich in dem kalten Wasser ein wenig abzukühlen. Der Wasserfall rauscht wunderbar. Hier könnte ich Zelten. Der Wasserfall rauscht wunderbar nicht ohrenbetäubend aber laut. Auf der Koppel hinter den Bäumen, die von verfallenen Weinlauben umgeben sind, weidet ein Pferd. Anders als an der Pont d´Ave gibt es hier keine Fische die versuchen den Wasserfall zu überwinden. Dabei hätten sie hier eine gute Chance. Hier könnte ich Zelten. Das Gehöft ist zerfallen und verlassen. Aber es gibt auch bewohnte Häuser und ein Hund streunt die Wiese entlang. Leider haben irgendwelche Vorgänger ihren Müll hinterlassen. Hier gab es also etwas zu tun. Schmutz und Abfälle gibt es auch auf den Pilgerwegen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwähren, dass er auch von Pilgern stammt und sammle ein.

Die Quelle Tres Bica (drei Espresso) plätschert gewaltig. In drei dicken Strahlen wird das Wasser über einen gemeißelten Stein geführt, um sich dann 50 cm tiefer in den Bach zu ergießen. Die Quelle wird von einer Weinlaube überspannt. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich eine gut 2 m hohe Böschung bunt mit Fingerhut und Schmetterlingen übersäht. Es duftet nach Gras, Blüten und pflanzlichen Ölen. Ich sitze direkt am Brunnen und träume vor mich hin. Auch hier ist aber alles stark besiedelt und zum Zelten deshalb nicht geeignet. Für einen kleinen Imbiss reichts.

In der Pilgerherberge von s. Roques ist Hochzeit, also Übernachtung in der Pilgerpension. Die zwei Spanier, Angel (gesprochen Anchel) und Tonio aus Valodolid haben Spaß an meiner bei Globetrotter erworbenen spanischen Ledertrinkflasche, es sei eine „Boga“. Ich musste diese zünftig trinken und lernen den Inhalt im hohen Bogen in den Mund zu spritzen und dabei zu schlucken. Wir unterhalten uns mit der portugiesischen Wirtin in einem babilonischen Sprachengewirr.

 

6. Tag, Samstag, 20. Mai:

Die letzte Herberge auf portugiesischem Boden findet sich in Valenca (km 127), ein von Spaniern völlig überlaufener wunderhübscher Festungsort. Hier übernachtete ich mit einem deutschen älteren Wanderpärchen aus Offenbach und Paul aus der Normandie, einem sehr witzigen französischen Lehrer, der einen großen Bogen mit dem Fahrrad jeden Tag 60 km in die umgekehrte Richtung fuhr. Die Spanier kommen als Touristen nach Valenca, weil es in Portugal viel günstiger ist. Ich sitze am idyllischen Marktplatz und trinke meinen letzten Bica wie üblich mit einem Glas Wasser. Die spanischen Touristen tragen dicke Tüten und die Straßen sind ein Flohmarkt.

 

7. Tag, Sonntag, der 21. Mai:

In Tui (km 144) hinter dem Grenzfluss, dem Rio Minho, in Spanien treffe ich gleich das französische Pärchen Alain und Monique aus Bordeaux, mit dem ich sofort und auf dem weiteren Weg nach Santiago noch häufiger abends ausgehe. Es ist rührend zu beobachten, wie die beiden sich um die Jugendlichen kümmern. Alain und Monique erzählen mir, dass es in Frankreich teilweise üblich ist, dem Pilger etwas zum Essen und Trinken rauszulegen. So finde man am Weg frische Wasserflaschen oder werde zu einem Stück Käse eingeladen.

Abends gibt es ein Konzert in der Kathedrale von Tui. Vorher sitze ich im Amphitheater eines Klostergartens mit Blick auf ein Brunnenbecken sowie über das weite Land und die Brücke über den Minho. Auch hier gibt es eine Menge Müll. Über dem gorgianisch angelegten Garten. Ein Baum hat noch nicht ausgeschlagen. Wird seine Zeit noch kommen? Heute weht ein kräftiger Wind, trotzdem duftet es, vermutlich vom Zypressenbaum.

 

8. Tag, Montag, der 22. Mai:

Die Straßen in Spanien sind nicht so gut unterhalten wie in Portugal und es gluckert auch nicht, sie haben aber ihre ganz eigenen Reize. Die Spanier sind auch nicht so arm und arbeiten eher mit Maschinen und die kommunalen Waschzuber sind oft außer Betrieb. Dafür gibt es idyllische Kornspeicher.

Die ersten 20 km nach Tui sind wieder Industriegebiete mit Lastwagenverkehr. Genügend Zeit, sich darauf einzustellen. Die Straßen in Spanien sind nicht so gut unterhalten wie in Portugal und es gluckert auch nicht, sie haben aber ihre ganz eigenen Reize. Die Spanier sind auch nicht so arm und arbeiten eher mit Maschinen und die kommunalen Waschzuber sind oft außer Betrieb. Dafür gibt es idyllische Kornspeicher und regelmäßig Pilgerherbergen.

Aus Tui treffe ich unterwegs zwei lustige ältere Belgier, die kein Cafe auslassen und nach der Ankunft in der Herberge insbesondere die Pubs genießen. Der ältere meint, wie ich denn den Flügel in meinem Rucksack durch den Zoll gebracht hätte. Die für Pilger im Reiseführer allgemein empfohlene Gewichtsbeschränkung auf 8 kg für den Rucksack hatte ich mit meinem 15 kg schweren Rucksack mit Zelt und Zubehör knapp um das Doppelte überschritten. Mein Aldi-Wanderhemd fand dagegen ungebremste Bewunderung.

In Redondela am Atlantik (km 160) lerne ich Bernadette (19 Jahre, älteste von vier Geschwistern aus Ostdeutschland) kennen. Wie ich das genieße, wieder deutsch sprechen zu können. Bernadette geht es genauso. Meinen Plan noch einmal zum Meer zu gehen, kann ich an diesem Abend nicht mehr verwirklichen. Ich kaufe eine Flasche Wein und ein Brot, dazu Schinken. Bernadette erzählt, dass sie den WJT für ihre Gemeinde organisierte und Kopf der Messdienertruppe ist. Nach dem Abitur ging sie für ein halbes Jahr nach Tansania, um sich mit den dort verdienten 25 Euro pro Monat die Pilgerreise zu finanzieren. Sie beneidet Menschen, die statt des Abiturs ein Handwerk lernen, weil diese in Tansania viel nützlicher sind. Bernadette war bei der Rückkehr aus Tansania direkt in Frankfurt nach Porto umgestiegen und den Pilgerweg über Braga gegangen. Durch den Klimawechsel wurde sie sehr krank und schließlich in Geres von einer portugiesischen Familie aufgelesen und in drei Tagen als Gast des Hauses wieder hochgepeppelt. Zum Abschied gab es ein Fest mit über 50 Nachbarn und Freunden der Familie.

 

9. Tag, Dienstag, der 23. Mai:

In Pontevedra (km 178), feiere ich eine hl Messe in der muschelförmigen Pilgerkirche und danach - eine Pflicht für alle Pilger – Besuch des Sanctuarium Virxe, Mutter Gottes als Pilgerin verehrt, sowie Ruhe an einen hübschen Platz, mit einer Orangenbaumkultur.

 

10. Tag, Mittwoch, der 24. Mai:

In Caldas Reis (km 200) stecke ich meine Füße in die heißen Quellen, genieße die idyllische römische Brücke und finde die Kraft nach weiteren 5 km zum ersten Mal auf einer versteckten Wiese an einem rauschenden kalten Bach zu zelten.

 

11. Tag, Donnerstag, der 25. Mai:

Ein Priester winkt mich in die Jakobuskirche in Padron (km 216). Er möchte unbedingt meinen Pilgerausweis stempeln und führt mich zu dem Stein, an dem seinerzeit das Boot des hl. Jakobus festmachte und der schon vor dem Christentum als Opferaltar diente.

 

12. Tag, Freitag, der 26. Mai:

Zuletzt treffe ich noch Mario (30 Jahre) mit seinem Zopf, der mich auf dem Weg von Padron nach Santiago begleitet. Mario ist richtig gut drauf. Er kommt aus Madrid. Mario pilgerte, um seine langjährige, aufgelöste Beziehung mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin zu verarbeiten. Außerdem suchte er einen Job, will eine Familie gründen und deshalb ist keine Frau vor ihm sicher. In Santiago (km 238) verbringen wir den Abend gemeinsam. Seit seinem 15. Lebensjahr hat er schon viele Caminos begangen. Tonio berichtet mir von einem 59-jährigen deutschen pensionierten Richter, der sämtliche Bindungen an seine Heimat aufgelöst hatte und bereits 13.000 km auf den Santiago-Pilgerwegen zurücklegte, dem – so Mario - „Spirit of Caminho“.

In Santiago sitze ich oft auf meinem Lieblingsplatz. In unmittelbarer Nähe der Kathedrale mit sonnendurchwärmten Steinbänken rund um Freilichtcafes und ständig stimmungsvolle Barden. Hier hatte ich mit Mario einen jungen Wein getrunken gegessen und gesessen. Hier treffe ich manchen Mitpilger wieder und hier ist unser Treffpunkt für das Abendessen mit Monique und Alain. Auf dem Rückweg treffen wir am Zentralen Messpunkt von Santiago eine begeisterte junge Frau vom Balaton, die die letzten Stunden ihrer Pilgerreise auf dem Pilgernabel der Welt genießt und uns an ihrer jugendlichen Ausgelassenheit oder gelassenen Hochstimmung im Gespräch teilhaben lässt. Oh wie liebe ich Monique und Alain, die einen Blick für diese Situationen haben.

In Santiago übernachten über 300 Pilger, die oft mehrere Tage bleiben. Die Herberge erinnert an ein dicht belegtes Kriegslazarett. Die Mitpilger bestehen zu 2/3 aus Leuten um die 60 Jahre. Es gibt aber auch viele junge Leute, mehr Mädchen, die alleine oft in einer glückseeligen Stimmung pilgern.

 

13. Tag, Samstag, der 27. Mai:

Für die zweite Nacht in Santiago miete ich ein Pensionszimmer für 15 Euro, wunderbar klein und ohne Fenster, eine Luftklappe zum Treppenhaus. Anders als in der Herberge konnte ich hier auch problemlos meinen Rucksack im Zimmer zurücklassen. Nach der Abschlussmesse sitze ich im „Parque de San Domingos de bon Aval“ unter einer großen Zypresse, neben mir plätschert eine hl. Quelle. Die Spitzen der Kathedrale ragen mit ihren Kreuzen über eine Hauswand hinaus. Heute erlebe ich in Santiago zwei Hochzeiten in den unterschiedlichen Kirchen, teils mit mehreren Solisten, Orgel und Querflöte.

Für die Wanderung zum Cap Finistere, wo Mario noch mit seiner neuen Liebe hin will, ist es mir zu heiß. Dazu hatte ich mehre Pilger befragt, die wegen der Hitze und des fehlenden Schattens durch Bäume und Wald eher davon abrieten. Die Busfahrt kostet ebenfalls mindestens eine weitere Übernachtung in Santiago. Also entscheide ich mich lieber direkt für die alternativen Wege der Reconquista und fahre mit dem Bus nach Leon. Mario berichtete nachher, dass er das Cap Finistere mit zahlreichen weiblichen Begleitern genossen habe. Immerhin handelt es sich um den westlichsten Punkt Europas, der den Naturreligionen auch in vorchristlicher Zeit schon Anlass zum Verweilen bot.

 

So saß ich statt an den Ufern des Rheins nacheinander am Ufer des Douro (Porto), der Ave (Pont d`Ave), des Rio Cavalho, des Rio Lima und dem Grenzfluss zu Spanien, dem Rio Minho (Valenca/Tui) und sinne oder schreibe still oder lauthals singend vor mich hin. Da bleibt viel Zeit zum meditieren und nachdenken. Der Caminho Portugués ist ein wirklich besinnlicher Weg.