Was macht das Pilgern aus? Hier ist der Weg das Ziel. Der Pilger muss sich zu Fuß durchschlagen, auf Portugiesisch, Spanisch und Französisch. Neben viel Gastfreundschaft und Natur erlebt der Pilger insbesondere im Straßenverkehr sehr bewusst die Arroganz der Macht. Vielleicht gerade deshalb herrscht in den Herbergen eine wunderbare, hilfsbereite Stimmung.

Pilgern erlaubt anders als Fahrradfahren und auch Wandern eine viel intensivere Begegnung mit der Natur und mit den Menschen, die ich unterwegs treffe. Der Pilger hat für jeden und alles Zeit, bewegt sich langsam, und kann deshalb jede Gelegenheit für ein Gespräch nutzen. Auch wenn es vielleicht nur drei oder vier Worte sind.

Es lässt sich besser der Moment abpassen, den Anderen anzusprechen. Weil die Hände frei sind, lässt sich alles besser beobachten und begreifen, du kannst bildlich gesprochen ungezwungen mit Händen und Füssen reden. Ein „Bon Caminho“ kommt dabei immer raus und der Pilger antwortet mit „Obrigado“ = Danke. Das Pilgern ist daher eine ständige Begegnung. Könnte ich besser portugiesisch, würde vielleicht ein Gespräch beginnen, über das Wetter, die Arbeit oder die Sorgen. Der Pilger genießt die Zeit und hat Zeit.

Im Pilgerführer werden viele Sehenswürdigkeiten beschrieben, Zeit nimmt sich der Pilger nur für die Besonderheiten am Wegesrand. Unterwegs und angekommen, ist Museumsstress selten eine Alternative. Der Weg ist die Kultur.

Die Taizé-Lieder sind zum Meditieren an den vielen Kirchlein und Kapellen hier genau das Richtige.

Das unterscheidet Pilgern auch vom Wandern. Die Wanderwege führen durch die Berge, an den Ortschaften vorbei. Die Pilgerwege dagegen durch die Kultur, durch die Ebenen und Orte an der Kirche vorbei und mitten durch. Die Wege sind besser und umfangreicher ausgezeichnet und neben der Schönheit der Natur hat die Leichtigkeit und Beschwerdefreiheit des Weges den gleichen Stellenwert. Wenn es gut läuft werden Autostrassen nach Möglichkeit vermieden. Auf dem Caminho Portugues sind die Wege einschließlich Herbergen oft neu angelegt und modern. In Spanien gibt es mehr. Die Herbergen sind kostenlos, um jedem Pilger einen sorgenfreien Weg zu ebnen.

Der alltägliche Weg ist das Ziel

Warum also in die Ferne schweifen? Auch unsere rheinische Heimat liegt inmitten einer Reihe alter Römerstraßen, also Pilgerpfaden des Mittelalters nicht nur zwischen Köln, Aachen oder Trier. Manchmal sieht man sie, die Pilger. Vor dem Supermarkt am Marktplatz an der Laterne sieht der aufmerksame Beobachter das Muschelsymbol, das Wanderzeichen der Jakobspilger. So schließt sich der Kreis zum Weltjugendtag, wo wir Gastfreundschaft erweisen konnten. Ich freue mich nach dieser Reise, jeden Morgen über einen Pilgerweg mit dem Fahrrad nach Köln zur Arbeit und abends zurück fahren zu dürfen.